Montag, 6. Juli 2015

Stuart M.Kaminsky: Zerpflückte Blüten ( ein Toby Peters Krimi )

Ein echter Alptraum; in der Gesellschaft von Unterhaltungskünstlern wird ein Mord zum Schaulauf der cineatischen Eitelkeiten. Wahllos wird der Tod vorinszeniert, In diesen Kreisen ist der Tod ein Schauspiel, das künstlerisch verarbeitet werden soll. Ein Toter und lauter Irre. Niemand erkennt die Realität, alle wollen nur den filmischen Abgang sehen. Keiner trauert, keiner (ausser Toby Peters) kratzt es überhaupt. Verdammt, da ist doch einer ermordet worden, sind wir hier alle bei Kafka?

Nennenswerte Dialog (narrativ):

"Nehmen Sie sich einen Selleriestengel"
- "Nein, ich habe keinen Hunger!"
"Ich habe nicht gesagt, dass Sie ihn essen sollen"

und wenn man kurz vor dem Brüllen ist, knüpft es an mit:

"Ich bin hier der Komiker, sagen Sie ihm das!"

Stephen Greenleaf: Iris ( ein John Marshall Tanner Krimi)

Erschütternd, als junger Vater wird mir ganz anders, wenn ich dieses Werk von Stephen Greenleaf lese. Ein abscheulicheres Verbrechen gibt es nicht. Man sollte Marvin mit brennenden Hirtenspießen verfolgen. Ich würde ihm selbst gerne als literarischen Gegenpart die gerechte Strafe zukommen lassen. Selten fand ich eine Figur so abscheulich. Da graust es sogar dem Teufel.

Zitate für schwierige Zeiten: "Für Dich gibts keine John-Wayne-Stunts mehr" ist eine nette, westernlike Umschreibung für "Tja, mein Freundchen, für Dich ist vorbei!"

"Pieppiep" Gerade die literarische Gestalt des Marvin nimmt kein Blatt vor den Mund und fühlt sich in der Fäkalsprache mit sexuelle Konnotationen zuhause.

Was wissen wir über den Autor:
Stephen Greenleaf scheint kein juristisch unbewanderter Autor zu sein. Der am 17.Juli 1942 in Washington geborene Autor hat in jungen Jahren als Jurist gearbeitet. Folglich ist er ein bischen Tanner, der aus Frust den Anwaltsjob aufgegeben hatte.

"Iris" ist übrigens seine einzige Kurzgeschichte. Leider kenne ich bisher noch nicht mehr Tanner-Geschichten. Laut einem Interview wollte Greenleaf seinen Helden in der 3.Person spielen lassen. Wenn ich sein Interview richtig deute, hat er das kein weiteres Mal getan.

Freitag, 26. Juni 2015

Agatha Christie: Nikotin


Mancher Krimi zeichnet sich dadurch aus, dass so ziemlich jeder Protagonist ein Verdächtiger ist. Alle Erben, Geschäftspartner, verflossene Liebschaften inklusiver Sippe und manchmal kann der Inspektor noch rätseln, ob das Ableben des Opfers eine Selbsttötung war, oder ob vielleicht sogar der Zufall eine entscheidene Rolle spielt. In Agatha Christies "Nikotin" aus dem Jahre 19xx ist es ganz anders. Hier gibt es Leichen, aber irgendwie keine Täter. In manchen Krimi wimmelt es nur von sinistren Gestalten und Bösewichten. In "Nikotin" ist es gänzlich anders. Hier ist eine honette Gesellschaft von durchaus sympathischen Menschen, und in ihrer Mitte kommt es zu Vergiftungen. Keiner der ehrenwerten Personen kann in Frage kommen. Keiner hat ein Motiv, keiner geht als Schurke durch. Und trotzdem muss einer der Böse sein.

Der Krimi liest sich deshalb auch so spannend, weil die Nachforschungen so schleppend voran gehen. Hobby-Detektive bleiben lange, lange erfolglos. Doch dann plötzlich erscheint Hercule Poirot und durchschlägt den gordischen Knoten der Nichtverwicklungen. Anders als im Orient-Express wird diesmal ein Schuldiger gefunden. Doch wer ist es? Der Butler ist plötzlich verschwunden. Was weiss er, was die anderen nicht wissen?

Ein schön gezeichnetes Kriminalgemälde, das den Lebensstil der britschen Wohlsituierten-aber-weder-adlig-noch-richtig-reich-Klasse-im-Alter karikiert.

Wie man sich denken kann, geht es in einem Agathe Christie Krimi sprachlich wohldosiert zu. Hier gibt es keine "Bleispritze2, keine "heißen Feger" und auch keinen "Gorilla"

Schöne Sätze gibt es trotzdem:


Was wissen wir über die Autorin:

Viel, sehr viel! Über Agathe Christies Werdegang zu schreiben, das ist wie Surfbretter nach Kalifonien tragen.

Samstag, 6. Juni 2015

Fredric Brown: Dreh dich nicht um

Es gibt ungewöhnliche Kriminalgeschichten voller Aktion und Brutalität. Diese Kriminalgeschichte gehört nicht dazu. Sie hat zwar nur 16 Seiten, aber die haben es in sich. Das Kernstück bildet die Freunschaft zwischen Harley und Justin. Beide sind in dunkle Machenschaften verwickelt. Einer der Protagonisten wird ermordet; der andere verliert den Verstand und wird zum gemeingefährlichen Messermörder, der fernab unserer moralischen Vorstellungen lebt. Folter und Verhöre haben ihn zu dem gemacht, was er jetzt ist.

Als Rahmenhandlung agiert der Messermörder, der ein paar Seiten im Buch beim Druck ausgetauscht hat. Vielleicht befindet er sich nun im gleichen Haus, Zimmer, Tram etc. und sucht blutige Rache.

Schon etwas skuril und scary.

Satz, den man verwenden kann: Wenn es um Stil geht, sollte man nicht nur sein Leben, sondern auch sein Ableben im Auge haben. "Selbst hinsichtlich des Platzes, an dem man ihn tot auffinden sollte, hatte sich Harly das Beste und Teuerste ausgesucht." Der schönste Lifestyle wird also nicht abgerundet, wenn die sterblichen Überreste in einem unpassenden Terrain aufgefunden werden.


Orginalname der Geschichte: Dont't look behind you!

Was wissen wir über den Autor:

Fredric William Brown (* 29. Oktober 1906 in Cincinnati, Ohio; † 11. März 1972 in Tucson, Arizona)

http://de.wikipedia.org/wiki/Fredric_Brown

Ein interessanter Aspekt in seiner Vita ist, dass er neben Kriminalgeschichten auch Science-Fiction-Geschichten schrieb. Eine dieser Geschichten, "Arena", wurde von Star Trek adaptiert. Die Gorn-Folge! Diese Vorlage wurde übrigens in die "Science-Fiction Hall of Fame" gewählt.

Freitag, 29. Mai 2015

Ross Macdonald: Blondine mit schlechtem Gewissen ( ein Lew Archer Krimi)

Dieser Lew Archer Kurzkrimi ist recht ambivalent. Lew Archer, so der Name des Privatdetektivs, ist eine Gestalt ganz nach meinem Geschmack. Cooles Auftreten, auf der Seite des Gesetzes und nicht um eine schnelle Reaktion verlegen. Diese Geschichte spielt sich nur auf knapp 20 Seiten ab und ist trotzdem vielschichtig. Es ist so ziemlich alles drin, was einen guten Krimi ausmacht. Ein verschrobener reicher Auftraggeber, eine zweilichtige Gestalt in seinem Umfeld, ein leichtes Mädchen... zudem wird der Alkohol dort noch sehr ungeniert konsumiert.

Hinter der Geschichte steckt aber noch mehr als nur ein Mordfall. Eine familienpsychologische Komponente wird eingebaut (Spoileralarm). Zusätzlich wird hier eine Niedergeschlagenheit und Verzweiflung sichtbar. Die Bösen sind in vielen Krimis böse, weil es um Kohle geht. Hier ist es etwas anderes.

Sätze zum Merken:

Wenn ein mutmaßlicher Verbrecher einen höflich bittet zu verschwinden, dann kann man antworten: "Ich bleib hier. Mir gefällts hier. Ich sage immer, es sind die Leute, die die Qualität einer Umgebung ausmachen."

Wenn man in den Lauf einer 32er schaut. "Ich habe hier einen Revolver. Er ist entsichert und ich kann verdammt gut damit umgehen." Dann antwortet man "Herzlichen Glückwunsch"

Was wissen wir über den Autor?
Ziemlich viel... Er hat einen eigenen Wikipedia-Eintrag: http://en.wikipedia.org/wiki/Ross_Macdonald

Zudem wurde Lew Archer schon von Paul Newman verkörpert.

Kleine Info am Rande: Macdonald ist nicht sein wirklicher Name; sein bürgerlicher Name war: Kenneth Millar. Das erleichtert auch das Detail, dass er mit der Krimiautorin Margret Millar verheiratet war.

Die Romane von Ross Macdonald wurden in Deutschland in 4 verschiedenen Verlagen aufgelegt.

Montag, 4. Mai 2015

Jürgen Alberts: Tod eines Sesselfurzers

9.Teil einer Serie zur Bremer Polizei


Wenn es eine Stadt gibt, die in den letzten Jahren immer mehr in den Focus von Verbrechen gerückt ist, dann ist es Bremen. In den 90ern ging es etwas bescheidener dort zu. Der Schriftsteller Jürgen Alberts hat insgesamt 10 Romane zur Bremer Polizei veröffentlicht. Das Werk "Tod eines Sesselfurzers" bringt einen Journalisten ins Gefängnis und er weiss nicht so recht, welche Rolle in einem großen Intriganten Schachspiel führt. Seine Gegenspieler sind Polizisten, die ihn unbedingt als Fahndungserfolg ins Gefängnis bringen wollen. Ansonsten wird dort kommunalpolitisch manche Sünde begangen. Intrigen, Aussitzen, Beförderungswettstreit usw.

Der Roman liest sich, auch wenn man ihn für einen typischen Regionalkrimi könnte, recht flüssig. Ich war noch nie längere Zeit in Bremen und doch benötigt man keine Stadtkenntnisse.

Genaue Daten zum Buch


Heimlicher Star des Krimis: Grünenberg, der das Dicksein glorifiziert.

Sätze zum Merken: Für eine Verhaftung passt "Leg ihn in Silber". Ansonsten fehlen irgendwie die coolen Begriffe. Liegt vielleicht daran, dass der Krimi nicht im Gangster-Milleu spielt.

Was wissen wir über den Autor?

Der Autor hat insgesamt 10 Romane zur Bremer Polizei veröffentlicht. Eine gewisse Affinität zum Norden lässt sich nicht verbergen.

Die Homepage des Autors


Samstag, 2. Mai 2015

Andreas Anatol: Ein Traum namens Nadine

Ein Aussteigerkrimi in toller Urlaubslandschaft

Wenn ein Dieb mit einer gehörigen Prise Zufall einen hohen sechsstelligen DM-Betrag nach Portugal bringt, um dort das schöne Leben zu genießen, dann ist das noch keinen ganzen Krimi wert. Wenn aber noch eine junge Frau und ein Erotik-Autor zu den Mitprotagonisten zählen, dann wird es schnell kompliziert.

Den Dieb plagen zwei Fragen:

  • Wie verschweige ich meinen Reichtum?

  • Wie baue ich eine neue Existenz auf, um etwaige Spuren aus Deutschland zu verwischen.
Also entsteht ein Geflecht aus Lügen, das lansam reisst. Jeder Mensch hat eine schwache Stunde; doch was verrät er? In diesem Krimi kann man durchaus behaupten, dass kein Protagonist öfter die Wahrheit spricht als erforderlich. Und mit der Wahrheit gehen alle ziemlich sparsam um. Automatisch kommt die Frage auf: Wer sind die Protagonisten eigentlich? Nur von Kolberg erfährt man etwas über seinen Werdegang. Die anderen kommen aus dem Nichts und sind listig, verschlagen oder gutaussehend. Der Krimi schwankt anfangs zwischen den Gefühlen des Diebes für das junge Mädchen und seinem rationalen Verarbeiten seiner zweiten, neueren Existenz. Später schwankt der Dieb über Klippen - doch ich möchte nicht zuviel verraten. Gibt es eine Lösung für das Problem? Lieben und dennoch vernünftig sein, das ist kaum eine Gotte möglich, zumindest dann wenn man Publicus Syrus glauben kann. Wie kann eine ehemaliger Zeitsoldat aus Würzburg dann so eine Dilemma lösen? Sprüche zum Nachdenken: "Irgendwann macht jeder Fehler" - Egal, wie schlecht es aussieht, ein Spruch, nicht nur für Durchhalteverbrecher. "Auf Dich kommt keiner, Du bist viel zu harmlos" - Exzentriker sein ist schön, aber gerade die Unscheinbaren sind in Krimis meist langlebiger. Was weiss man über den Autor: Andreas Anatol ist nur ein Pseudonym. Sein richtiger Name ist Klaus Fröba.

http://www.krimilexikon.de/froeba.htm